Liebe Leser:innen,
als wichtigste Digitalplattform der Wirtschaft wird LinkedIn im aktuellen Manager Magazin bezeichnet. Immerhin sind auf ihr weltweit 740 Millionen Menschen zu finden. Gleichzeitig lautet eine Überschrift im Mai-Magazin “Soft, lieb und erfolgreich”. So sollen LinkedIn-Mitglieder sein.
Die große Freundlichkeit wird vom Autoren Philipp Alvares de Souza Soares scharf kritisiert. Bei LinkedIn herrsche “hemmungsloses Schleimen. Hohle BWL-Prosa wie Beiträge über Learnings, Purpose oder die letzte Challenge inklusive. Chefs und Kunden können schließlich mitlesen” (S.65).
Im Manager Magazin Podcast wird es noch deutlicher ausgesprochen: “LinkedIn - auf der Schleimspur zum Erfolg.”
Anscheinend soll sich das Netzwerk sogar auf die Unternehmenskultur insgesamt auswirken: Denn die LinkedIn-”Gepflogenheiten sickern so immer tiefer in die Geschäftskultur vieler Branchen, Konzerne. Konzerne wie Mitarbeiter feiern Beförderungen oder die Markteinführung eines neuen Produkts wie eine Marslandung.”
Im Vergleich zur Harmoniesucht auf LinkedIn dominiere “Hass und Häme” hingegen bei Facebook und Twitter. Es scheint fast so, als wäre letzteres so manchem Journalisten lieber. Eine merkwürdige Sicht der Dinge.
Und eine sehr einfache Schwarz-Weiß-Welt, in der auf LinkedIn viel zu viel gelobt und auf Twitter nur gehated wird.
Von dieser undifferenzierten Sichtweise bin ich kein großer Freund. Aber es ist gewiss so, dass einige Nutzer:innen mit ihren Lobesgesängen auf das eigene Team und Unternehmen übertreiben und auch nerven können. Zu viel von diesem Candy Content ertrage auch ich nicht.
Wenn LinkedIn als gediegener Businessklub bezeichnet wird, “in dem sich ständig alle auf die Schluter klopfen” und sich gegenseitig loben, statt mal kritisch nachzuhaken, wird man der Plattform keineswegs gerecht. In den Kommentaren entwickeln sich mitunter gute Debatten, die journalistischen Anforderungen gerecht werden. Wer entsprechend recherchiert, bekommt über LinkedIn sehr wertvolle Informationen zu vielfältigen Themenwelten.
Neben hohlen Phrasen, in denen die eigenen tollen Erfolge gefeiert werden, findet jede:r auch ganz andere spannende Sichtweisen. Allerdings befördert der LinkedIn-Algorithmus die Allgemeinplätze allzu oft in die höhere Sichtbarkeit, weil wir das Gute, Liebe und Lobende zu bevorzugen scheinen.
Ein zu viel des Lobes kann ich trotz allem nicht hierzulande erkennen. Weder auf LinkedIn noch in der physikalischen Unternehmenswelt. Gerne dürfen diese LinkedIn-Gepflogenheiten übernommen werden: Denn Wertschätzung ist etwas Wichtiges in unserer Gesellschaft, die ich nicht als “Schleimen” abtun würde.
Ich finde es gut, wenn sich ein CEO wie Stefan Oschmann, freundlich und humorvoll in einem LinkedIn-Video von seiner Rolle bei der Merck Gruppe verabschiedet und 10 Dinge zeigt, die ein CEO an seinem letzten Arbeitstag tut. Oder wäre Ihnen eine offiziöse und langweilige Abschiedsrede lieber?
Die Gesellschaft wandelt sich. Mehr Menschen denn je sind aktiv auf Social Media und nun findet das Businessleben verstärkt auf LinkedIn statt. Daran kann ich nichts Schlechtes erkennen. Wir üben dort noch immer.
Natürlich werden wir die Selbstbespiegelungen dort irgendwann langweilig finden. Als Beimischung machen Teamlobhudeleien aber Sinn, weil sie gerade in der Coronazeit das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.
Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass wir alle immer nur andere auf LinkedIn loben und deren Beiträge liken. Manchmal tut es gut, ein Danke zu sagen oder zu erhalten.
Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre.
Ihr Klaus Eck
Ich freue mich, wenn Sie den Eck Newsletter weiterempfehlen oder mir Feedback geben. Folgen Sie mir gerne auf Twitter oder LinkedIn.
Dubiose Digitalisierung
Das Präsenzgeschäft Messe hat unter der Coronakrise enorm gelitten. Damit haben in der Vergangenheit viele sehr viel Geld verdienen können. Aufgrunddessen wollen sich viele Veranstalter nicht von ihrem vormals erfolgreichen Geschäftsmodell verabschieden und sich auf das Neue einlassen. Stattdessen warten viel Player im Markt lieber ab, bis die Coronakrise zuende ist.
Eine wirkliche Kursänderung ist bei den großen Messegesellschaften noch nicht zu erkennen. Auf dieses Thema geht Wolf Lotter in der Titelgeschichte der April-Ausgabe der Zeitschrift Brandeins näher ein. In den USA und in Asien sei man weiter. Dort setzen viele Veranstalter auf hybride Geschäftsmodelle. Im Mittelpunkt stehen dabei der Aufbau einer echten Community und die Mehrfachverwertung von Inhalten. Das Digitale stößt hierzulande immer noch auf große Skepsis.
Die neue Interne Kommunikation
An die Stelle der traditionellen Internen Kommunikation sollte das Employee Engagement treten, meint Thomas Mickeleit im PR-Report. Eine Metamorphose der Internen Kommunikation sei notwendig geworden.
Es geht längst nicht mehr darum, die Mitarbeitenden gut zu informieren, sondern darum, sie zu einem eigenständigen Austausch im Social Intranet zu ermutigen.
Das ist nicht nur für das Employer Branding wichtig, sondern hilft auch, die Organisation ingesamt in der Digitalisierung voran zu bringen. Das ist keine leichte Aufgabe und erfordert viel Vertrauen in die eigenen Unternehmenskultur.
Von selbst läuft so ein Change-Projekt nicht. Viele sind verwundert, wie viel Unterstützung und Community Management hierbei notwendig ist, um erfolgreich zu sein.
Twitter wird visueller
Wir können auf Twitter unsere Bilder künftig in voller Größe auf unseren mobilen Endgeräten anzeigen lassen.
Good News
Social Media ist mitunter Zeitverschwendung, meint der Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes in einem turi2-Interview: “Führungskräfte, die authentisch und effizient mit Mitarbeiterinnen, Peers und Geschäftspartnerinnen kommunizieren wollen, können trotzdem nicht darauf verzichten.”
Studie: Wie informieren sich die Menschen in Deutschland im digitalen Zeitalter? Empfehlungen und Earned Media sind uns bei der Nachrichtenrezeption am wichtigsten. Sogar wichtiger als die Nachrichtenmedien selbst.
Zukunft des Einkaufens: Facebook ist ein Ü30-Netzwerk: Die Plattform spricht vor allem User zwischen 30 und 39 an.
Nuzzel stellt seinen E-Mail Service ab sofort ein.
Buch-Tipp: Die Shitstorm-Republik
Die Journalistin Nicole Diekmann zeigt in ihrem Buch “Die Shitstorm-Republik: Wie Hass im Netz entsteht und was wir dagegen tun können”, wie Politik und Journalismus dazu beigetragen haben, dass in Social Media so viel Hatespeech stattfindet.
Der sehr deutsche Begriff Shitstorm verharmlost sogar in gewisser Weise die Angriffe, die viele Menschen auf Twitter und Facebook erleben. Ob das Netz tatsächlich so mit Hass geflutet ist, sei dahingestellt. Wichtig ist die Frage, wie wir mit Trollen, Stalkern und Hatern auf Social Media umgehen sollten und wie wir Menschen schützen und unterstützen können, die darunter leiden.
Wir sollten das Netz nicht den Covidioten, Klimaleugnern und vermeintlichen "Querdenkern" überlassen, sondern uns mit denjenigen solidarisieren, die unter deren Angriffen leiden, und ihnen helfen. Hierbei kann Diekmanns Buch eine wertvolle Unterstützung sein.